Forum 4: Netzwärts - Sender im Internet

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Das Forum 4 wurde von einem Video-Beitrag von vier jungen Mitarbeitern des Offenen Kanals Pixel in Gera eingeleitet. In "Wo geht's hier zur Datenautobahn?" wurden Kinder nach ihren Erfahrungen und Nutzungsgewohnheiten im Internet befragt. Deutlich wurde dabei, dass das Netz für viele noch den Reiz des Neuartigen hat: "Das Internet ist geiler als Starmagazine." Das Konkurrenz-Verhältnis zwischen Fernsehen und Internet beleuchteten in paradigmatischer Weise zwei Kinder-Statements: "Ich sehe weniger fern, seit ich Internet-Zugang habe." Und: "Wenn ich zu müde bin, schau ich fern." Mit anderen Worten: Das Internet strengt an und wirkt wie Quotengift.

In einem Kurzvortrag stellte die SWR-Fernsehredakteurin Sabine Stampfel Ziele, Inhalte und Nutzung des SWR-Kindernetz (www.kindernetz.de) vor. Das Internet-Angebot startete im März 1997 zur CeBit. Ziel ist es, die Kinder in die Lage zu versetzen, mit der vielfältigen Medienwelt umzugehen. Sie sollen verstehen, wie das Netz aufgebaut ist, wie sie es in ihren Alltag integrieren und es sinnvoll nutzen können. Doch in welchem Umfang nutzen Kinder hierzulande das Datennetz? Die Untersuchung "KIM 99" des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest ergab, dass nur vier Prozent der befragten Kinder mindestens einmal in der Woche online sind und weitere neun Prozent seltener als einmal wöchentlich. Ein deutlicher Nutzungsschwerpunkt liegt bei den zwölf- bis 13-Jährigen.

Großen Wert legte die SWR-Redakteurin auf den Aspekt der Sicherheit. So dürfen Kinder erst Mitglied in der virtuellen Community werden, wenn ihre Eltern durch ihre Unterschrift ihr Einverständnis erklärt haben. Während im öffentlichen Teil des Kindernetzes jeder mitmachen kann, ist das "Kinderdorf" seinen Bewohnern vorbehalten. Nur wer sich mit Namen und Adresse registrieren läßt, erhält Zugang und damit die Schreibberechtigung auf den Kinderseiten. Für den digitalen Meinungsaustausch braucht jedes angemeldete Kind einen Spitznamen. Das SWR-Kindernetz verzeichnete zuletzt täglich 60.000 Page Impressions, die im Schnitt sechs Minuten dauern. Besonders oft wird es am Wochenende und zwischen 19 und 20 Uhr besucht.

In ihrem Fazit hob Stampfel hervor, dass das SWR-Kindernetz "das Selbstbewußtsein der Kinder im Umgang mit neuen Medien stärkt." Kinder und Jugendliche haben zudem "ein besonderes Interesse an interaktiven Inhalten, Foren und Chats". Es besteht ein "großer Bedarf an Beratung", der jedoch mit einer Personalstärke von drei festen Mitarbeitern und einem Hilfs-Pool von Schülern und Studenten nur schwer zu bewältigen ist.

Zur Website von Super RTL (www.superrtl.de) sagte der Director Operations Matthias Büchs: "Wir wollen Super RTL als Kinderunterhaltungsmarke etablieren und auch im Internet die Nummer eins in der Zielgruppe werden." Das im Dezember 1999 gestartete Angebot richtet sich an acht- bis Zwölfjährige. Im Startmonat wurden 755.000 Page Impressions verzeichnet; bis März stiegen sie auf knapp 1,8 Millionen. Einschließlich des Super RTL-Club liegt die Zahl bei fast 2,2 Millionen Page Impressions. Nach Angaben von Büchs sind die Erlöse der Investitionen ins Netz noch bescheiden, vor allem wegen des kleinen Marktes. Trotz der begrenzten Zielgruppe ist der Wettbewerb im Netz dafür bereits beachtlich. Büchs gab zu bedenken, dass im Vergleich zu den ersten Anbietern, die vom Startvorteil (first mover advantage) profitieren, die Nachfolger stets besser sein müßten. Die Konkurrenz werde mit neuen bzw. angekündigten Angeboten von Konsumgüterherstellern wie Hasbro oder Lego und des Medienkonzerns EM.TV härter.

In die Online-Inhalte von Super RTL sind bereits Ergebnisse der Marktforschung einflossen: Danach wollen Kinder vor allem "klare Strukturen", verwenden aber keine Suchmaschinen; mit ihrer 'chaotischen' Art der Internet-Erforschung verlieren sie rasch die Orientierung. Dem begegnet das Kölner Unternehmen unter anderem mit dem Angebot eines "Internet-Führerscheins" und einer Link-Sammlung zu verschiedenen Themenfeldern. Im Hinblick auf das TV-Programm will Super RTL für seinen Netzauftritt "Cross Media Synergien nutzen." Dementsprechend sollen TV-Formate, Internet und Events integriert werden. Ferner will Super RTL laut Büchs "in diesem Jahr in Inhalte investieren, um eine Community aufzubauen." Bei den Inhalten sind Kooperationen mit Firmen wie BMG und Disney Channel geplant.

In seinem Aufriß über die Internet-Nutzung von Kindern beklagte der Fachjournalist Tobias Gehle den Mangel an fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen. Aus den vorliegenden Studien im In- und Ausland lassen sich jedoch drei Schlüsse ziehen: In Deutschland nutzen Kinder erst ab elf Jahren das Netz in nennenswertem Umfang. Die Nutzung dürften in zwei bis drei Jahren in den jungen Alterssegementen "kräftig anziehen". Kinder verwenden das Internet vor allem als Kontaktplattform und als Konversationsmedium.

Charles A. Wüthrich, Professor für grafische Datenverarbeitung an der Bauhaus Universität Weimar, erwartet eine umfassende und fortschreitende "Virtualisierung des Alltags". In seinem kulturtheoretisch akzentuierten Vortrag beschrieb er, wie das heutige Leben von neuen Technologien zunehmend durchdrungen wird. Über die traditionelle Punkt-zu-Punkt-Kommunikation hinaus eröffnet das Internet mit seiner Netzwerk-Kommunikation die Möglichkeit, dass Menschen an gemeinsamen virtuellen Welt teilnehmen, die über die Grenzen der eigenen erfahrbaren Welt weit hinausgehen. Mittlerweile werden nicht nur Gegenständeund Standorte virtualisiert (etwa im Aktienhandel oder bei virtuellen Hochschulen), sondern auch Personen. So dienen Avatare als Darstellungen der User in virtuellen Räumen, wobei sie von der realen Nutzererscheinung entkoppelt sind.

Bei der kindlichen Nutzung des Internets sieht Wüthrich sowohl Chancen als auch Risiken. So können Kinder aus der ganzen Welt via Internet miteinander kommunizieren und ihre Sprachkompetenz erhöhen, wobei ein kultureller und Mentalitätsaustausch ermöglicht wird. Kinder gehen mit der neuen Technik unbefangen um, sind aber auch schnell demotivierbar. Und weil sich weniger kritischer verhalten als Erwachsene, muss - so Wüthrich - daran erinnert werden, dass es im Netz die gleichen Gefahren gibt wie in der echten Welt.

Bei der folgenden Podiumsdiskussion vertraten die Teilnehmer einhellig die Ansicht, dass das Internet nicht nur ein Instrument für's Programmpromoting sei, sondern auch ein eigenständiges Medium. Während Büchs auf die Vorteile von Querverweisen zwischen Fernsehen und Homepage ("Ping-Pong-Effekt") verwies, erinnerte Stampfel daran, dass die jüngste Änderung des Rundfunkstaatsvertrags dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen Rahmen für überwiegend programmbezogene Web-Inhalte gesetzt habe. Nach Ansicht Wüthrichs "sprechen beide Medien unterschiedliche Gruppen von Individuen an."

Eine kleine Kontroverse ergab sich bei der Frage nach den Perspektiven des interaktiven Fernsehens für Kinder. Wüthrich betonte, man wisse "noch nicht genug darüber, wie das nicht-lineare Erzählen funktioniert," und rief die TV-Macher zu Experimenten auf, "um das herauszufinden." Archibald Kahl von KirchNewMedia wandte ein, dass interaktive Filme bereits "am hohen Aufwand für die nötigen erzählerischen Verzweigungen scheitern." Christine Feil, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Jugendinstitut, erinnerte daran, dass die Jüngsten schon die Rückblenden der "Bettkanten-Geschichten" nicht verstanden hätten. Bei Hypertext-Erzählungen werde die Struktur zu schwierig für Kinder, nicht zuletzt wegen fehlender Wiederholungen. Wüthrich räumte ein, dass dies für Kindern gewiß schwieriger zu realisieren sei als für Erwachsene. Es stelle sich aber die Frage, ob "Kinder nicht vielleicht flexibler sind."