Forum 3: Fernseher, Leinwand, Bildschirm - wie erreichen Filme künftig die Kinder?

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In einem fundierten Vortrag vermittelte der Medienwissenschaftler Günther Schatter von der Bauhaus Universität Weimar einen detaillierten Überblick über die technische Entwicklung der Bildwiedergabe und -speicherung. Nach den Hauptentwicklungen erläuterte er Trends bei Distribution, Bildwiedergabe und Speicher. Aus dem breit angelegten Aufriß können hier nur einige Ansätze herausgegriffen werden, wobei insbesondere die wahrscheinliche Relevanz für das kindliche Publikum berücksichtigt wird.

Als Ausgangspunkt skizzierte Schatter eine durchgreifende Digitalisierung aller Systeme bei Produktion, Speicherung und Transfer. Demnach werden die Übertragungswege zusammenwachsen und sich vermischen. Den "Mythos problemloser Konvergenz" stellte er jedoch in Frage, da diese Verschmelzung "weitgehend ungeplant" ablaufe und von interessierte Mitspieler beeinflusst werde. Angesichts des technischen Fortschritts bei Mobilität und Abruftechnik ist eine "Allgegenwart des Bewegtbildes" zu erwarten. Die Rezeption bewegter Bilder wird künftig nach dem Motto "alles, immer, überall" in variablen Formaten und Qualitäten möglich sein. Während die Idee einer vorgegebenen Programmstruktur an Einfluss verliert, kann der Nutzer wohl schon bald sein "eigener Programmdirektor" sein. Dies umso mehr, als neue Netzangebote für spezielle Interessen die bisher noch technisch beschränkte Programmpalette beträchtlich erweitern dürften - Stichwort: "Extremverspartung".

Die heutige Wertschöpfungskette Kino, VHS/DVD, Pay TV, Kommerzielles TV, Nichtkommerzielles TV wird sich in fünf Jahren um das digitale Kino erweitern. Die Digital Versatile Disc (DVD) wird dabei im Verein mit Servern die Videocassette als stationäres Trägermedium ersetzen. Als mobile Bildmedien werden Geräte wie Videoman, Laptop und Smart Organizer sowie das digitale Fernsehen hinzukommen.

Bei der Distribution erwartet Schatter eine rasche Vertriebsausweitung konventioneller Medien im Internet. Wurde das Buch 1998 im Datennetz verfügbar, so war es 1999 mittels des MP3-Formats die Musik. In diesem Jahr läßt sich nun auch der Film aus dem Internet abrufen; so werden auf www.ifilm.net sowie www.atomfilms.com Kurzfilme angeboten. Es gibt bereits Anzeichen, dass das Internet als exklusive Vertriebsform eingesetzt wird: So kündigte die Firma Metafilmics ("What dreams may come") 1999 den ersten, für's Netz entworfenen Spielfilm "The Quantum Project" herstellen zu wollen.


Im Hinblick auf die Speicherung bewegter Bilder ist laut Schatter mit der Entwicklung hochdichter miniaturisierter Digitalspeicher zu rechnen, die neue portable Videogeräte ermöglichen. Der DVD-Absatz habe inzwischen "alle Prognosen übertroffen". Dass das System technisch noch nicht ausgeschöpft ist, zeigt die Ankündigung einer hochauflösenden DVD-Variante. Allerdings befürchtet man hier noch einen "digitalen Formatkrieg". Während die Ablösung des klassischen Fotos bereits begonnen hat und die Zukunft des Films für manche ungewiß ist, dürften für hochwertige Produktionen Foto und Film als Originalmedien ihren Wert behalten, sozusagen als "universelle Originale". Auch das Auslaufmodell der analogen VHS-Cassette könnte in Nischen als digital bespielbares Speichermedium überleben. Als vorrangiges Problem hob Schatter hier die ungelöste und womöglich unlösbare Frage nach stabilen Archivformaten hervor.

In seiner Bilanz verwies Schatter unter anderem auf zwei Chancen und zwei Probleme der Entwicklung hin. Tendenziell werden künftig die Geräte personalisierbar, ja "anschmiegsam und verständnisvoll". Zudem wird die kreative Nutzung durch Amateure im Sinne der angestrebten Förderung der Medienkompetenz erleichtert. Die Wertschätzung der Kunstform Film könnte jedoch unter der absehbaren Allgegenwart der bewegten Bilder leiden, während zugleich die Gefahr, den Jugendschutz zu unterlaufen, zunimmt. So wird sich das Personal Video Recording selbständig-assoziativ den Bedürfnissen des Besitzers folgend die digitalen Speicher füllen und "sich dabei kaum um die Belange des Jugendschutzes kümmern."

An diese Skepsis knüpfte in der anschließenden Diskussion Friedemann Schuchardt, der Geschäftsführer von Matthias-Film, an. Bei der zu erwartenden Vielfachung der Anbieter stelle sich die Frage: "Haben die Menschen künftig überhaupt noch Zeit, sich mit etwas anderem als Medien zu beschäftigen?" Dabei seien Kinder doch schon heute ihre eigenen Programmdirektoren. So ermögliche ihnen die DVD, bei Kultfilmen gezielt Lieblingsstellen anzusteuern. Zum kontinuierlichen Sehen von Filmen würden Kinder inzwischen nur noch im Kino und in der Schule angehalten. Schuchardt verwies in diesem Zusammenhang auf einen Befund der ZDF-Medienforschung, wonach ein durchschnittlicher Zuschauer an einem TV-Abend 200 Mal umschalte.

Das Umschalt-Ergebnis wies der NBC-Forschungsdirektor Dr. Horst Stipp als "Mythos" zurück. Natürlich wechselten viele Zuschauer an einem langen Fernsehabend öfter das Programm, 90 Prozent des Zeitaufwands entfalle jedoch auf das kontinuierliche Zusehen und nur zehn Prozent auf das Zappen. Stipp führte eine US-Studie an, die ergab, dass Kinder entgegen einer weit verbreiteten Annahme weniger zappen als Erwachsene. Kinder schalteten zudem zu 90 Prozent auch bei den Werbeblöcken nicht um.

Auch deutsche Untersuchungen stützen die Beobachtung eines konstanten TV-Konsums von Kindern, wie der Unternehmenssprecher von Super RTL, Andreas Seitz, ergänzte. Bei der fortschreitenden Fragmentierung des Marktes wird es nach seiner Ansicht auch "narrow broad-casting" im Internet geben, dies ersetzt jedoch nicht die großen TV-Anbieter. Das aktuelle Beispiel der "Pokémon"-Welle zeige zudem: "Bestimmte Formate können weiterhin eine Mikro-Hysterie auslösen."

Archibald Kahl von KirchNewMedia gab bekannt, dass sein Unternehmen an einem "kindergerechten Internet-Portal" arbeite. Um das Problem des unbeaufsichtigten Surfens im Netz zu lösen, arbeite man an einem "Tunneling"-Verfahren, einer Art "kontrolliertem Zugang", der über bestehende Kontrollfilter hinausgehe. Die Zielgruppe gliedere man in drei Teilgruppen: 3 bis 6 Jahre, 6 bis 9 Jahre, 10 bis 13 Jahre. Bei den beiden jüngeren Altersklassen "gehen wir von einer Beteiligung der Eltern aus." Zur Prognose des Dokumentarfilmers C. Cay Wesnigk, dass es bald auch eine Kindersuchmaschine geben wird, sagte Kahl, Konkurrenz belebe das Geschäft und erhöhe die Qualität. Suchmaschinen lieferten aber auch Angebote, die Kinder besser nicht kennen sollten. Er empfahl, die Suchmöglichkeiten redaktionell zu beschränken. Dies widerspreche zwar dem ursprünglichen demokratischen Freiheitsgedanken des Internet, sei aber wie beim Jugendschutz im Fernsehen sinnvoll.