Margret Albers

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Oktober 1996, mit dem Regisseur Stuart Gordon in einem Café im idyllischen Sitges bei Barcelona. Gewusel auf dem „Festival Internacional de Cinema de Catalunya“, einem „Familientreffen“ der fantastischen Filmszene. Nach dem Interview ein Plausch über künftige Projekte und Aktivitäten. Bei mir stand der Antritt meiner ersten Stelle als Leiterin des GOLDENEN SPATZ auf der Agenda – aus meiner Sicht ein völlig anderes Feld. Als mein Gegenüber dies hörte, lachte er lauthals los. „Wieso völlig anders? Was glaubst du, womit ich und viele Kollegen unser tägliches Brot verdienen?“ Ich sah ihn fragend an. „Na, mit Kinderprogamm oder Kinderbüchern“, fuhr er fort. Als ich immer noch etwas irritiert dreinblickte, meinte er nur „Du kommst schon noch dahinter und wirst eine ganze Menge lernen…“. Den unerwarteten Segen meines alten Lagers hatte ich somit. Der erste Kontakt mit dem neuen war etwas weniger entspannt. Klaus-Dieter Felsmann begann mein „Antrittsinterview“ in der „KJK“ mit folgender Frage: „In verschiedenen Veröffentlichungen der jüngeren Zeit werden Sie als ‚Horrorexpertin’ vorgestellt. Die deutsche Kinderfilmszene ist etwas verunsichert. In wessen Hand liegt da plötzlich das Schicksal des Nationalen Kinder-Film&Fernseh-Festivals in Gera?“ Tja, wie sollte ich darauf antworten? Mein Bemühen, mich elegant aus der Affäre zu ziehen, war nur bedingt erfolgreich – auch die nächsten zwei Fragen bezogen sich noch auf die Horrorexpertin...

Mit der Zeit kam ich dahinter, was es mit der Gemeinsamkeit der beiden Lager auf sich hatte: Beide repräsentieren Nischen, die immer wieder ihre Existenzberechtigung begründen müssen – die einen aus moralischen Motiven, die anderen aus monetären Erwägungen. Beide ziehen Menschen an, die das Kind in sich weder vergessen noch verdrängt haben, und die meisten gehen ihrer Arbeit mit einem hohen Maß und Idealismus, jeder Menge Herzblut und Improvisationstalent angesichts knapper Ressourcen nach.

Auch hinsichtlich des Lerneffektes hatte Stuart Gordon recht: Die kommenden Jahre erwiesen sich als ausgesprochen lehr- und aufschlussreich.

1997 – 2007: Sechs Festivals – Fünf Beobachtungen

Auf und Ab im Kinderfernsehen 1997 boomte in Deutschland das Kinderfernsehen: Der Kinderkanal von ARD und ZDF war zum Jahresbeginn auf Sendung gegangen und mit Super RTL und Nickelodeon warben gleich zwei private Anbieter um die Gunst der jungen Zuschauer. Daneben stand noch das Angebot für die Jüngsten in den öffentlich-rechtlichen und privaten Vollprogrammen, den Dritten und dem Pay TV-Sender DF 1 mit den Sendern Clubhouse und Junior. Eine Situation, die derzeit Helmut Thoma witzeln ließ, es gäbe bald mehr Kinderkanäle als Kinder. Die Stimmung war gut, von Aufbruch geprägt und bescherte dem Festival 1997 eine Live-Sendung bei Nickelodeon. Dem zumindest quantitativen Boom folgte schon in Kürze der Zusammenbruch: Quasi über Nacht stellte Nickelodeon zum 1. Juni 1998 seinen Sendebetrieb ein und die Stiftung GOLDENER SPATZ verlor einen ihrer Zustifter. Das „Überangebot an Kinderprogramm“ führte dazu, dass die privaten Sender ihre Angebote einstellten (Kabel 1) oder drastisch reduzierten (z.B. RTL 2 und ProSieben). Einschnitte erfolgten auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Im März 1998 stellte das ZDF sein nachmittägliches Kinderprogramm zugunsten einer Programmerweiterung am Wochenende ein. Dies wurde einerseits mit Zuschauerwanderungen zum Kinderkanal und andererseits mit der Anpassung an internationale Standards begründet. Die ARD hatte bereits vier Jahre zuvor das Fernsehangebot für Kinder aus dem Tagesprogramm verbannt. Somit forderten Marktbereinigung und Verspartung ihren Tribut. Düstere Prognosen, auch Super RTL werde alsbald seinen Sendebetrieb einstellen, machten die Runde. Es kam jedoch ganz anders – 2007: Wieder sind mit KI.KA, Super RTL und NICK drei Spartensender für Kinder im Free-TV empfangbar. Auch im Pay-TV hat sich das Angebot wieder ausdifferenziert. Während sich die sukzessive Reduzierung des Kinderangebotes in den Vollprogrammen (ARD, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben) fortgesetzt hat, sind es nun insbesondere die genannten Spartensender sowie Privatsender der zweiten Generation (z.B. RTL 2), die täglich ein Angebot für Kinder im Programm haben. Im Gegensatz zur Situation von 1996/1997 sind die Profile des jeweiligen Angebotes besser ersichtlich und es wird mit Marken gearbeitet: RTL 2 steht mit „Pokito“ für japanische Anime- Serien. Super RTL hat mit „Toggolino“ und „Toggo“ zwei Marken für unterschiedliche Altersgruppen im Programm. Das ZDF rubriziert sein Kinderprogramm unter „tivi“ und die ARD unter „Checkeins“. Beide stehen für einen Mix aus Information und Unterhaltung. NICK steht vor allem für Animationsserien. Der KI.KA schließlich sieht sich mit seinem nach Altersgruppen durchstrukturierten Programm, das Information wie Unterhaltung und Spielfilme anbietet, als „Qualitätsführer“. Damit ist insgesamt eine Erkennbarkeit und eine Spezialisierung eingetreten, die es Kindern – wie Eltern – leichter macht, gewünschte Programme aufzufinden. In diesem Zuge ist der Anteil an Eigenproduktionen gestiegen und sowohl der KI.KA als auch Super RTL haben sich davon emanzipiert, lediglich Abspielsender der Archive ihrer Elternsender bzw. Gesellschafter zu sein. Dies spiegelt sich in den Einreichungen beim GOLDENEN SPATZ wider: 1997 waren es 158 Beiträge und die Zahl stieg kontinuierlich bis 2003 auf 292 an. 2005 waren es 255 und 2007 252 Beiträge, wobei 2007 das Reglement geändert wurde und statt bisher drei Folgen pro Ein