Forum 2: Zwischen Lehrplan und purem Vergnügen - Perspektiven des Kinderkinos
Präsentationen:
Eva Matlok, AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V.
Horst Walther, Institut für Kino und Filmkultur (IKF)
Markus Klare, Kinokult e.V. Ludwigsburg
Günther Kinstler, Bundesverband Jugend und Film (BJF)
„Nur im Kino kann sich das Medium Film mit all seinen Möglichkeiten entfalten“, meinte Eva Matlok, die Geschäftsführerin der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V., und wies darauf hin, dass dem Kinderfilm in der deutschen Kinolandschaft diese Chance immer noch zu wenig eingeräumt wird. Zur Situation des Kinderfilms bei uns gibt es kaum Zahlenmaterial, denn Branchenauswertungen und andere Erhebungen erfolgen in der Regel bei Menschen ab zehn oder 14 Jahren. Darin sieht Eva Matlok den Grad der Wertschätzung, den Kindern in der deutschen Kinolandschaft beigemessen wird.
Andererseits war der Kinder- und Familienfilm „Findet Nemo“ mit über acht Millionen Besuchern der erfolgreichste Film des vergangenen Jahres. „Das fliegende Klassenzimmer“ spielte über 1,8 Millionen Zuschauer ein – ein überzeugendes Ergebnis. Doch der Schein trügt. Ein Großteil der Produktionen für Kinder hat es nach wie vor sehr schwer in deutschen Kinos. Von den 1831 Kinos Deutschlands beteiligen sich gerade mal 53 Spielstätten an einer intensiven Auswertung von Kinderfilmen jenseits des Mainstreams. Gründe dafür gibt es viele, wie z.B. das schmale Filmangebot, die Bezugsbedingungen oder die unzureichende Ausstattung der Kinderfilme mit Trailern,
Plakaten oder Presseheften.
Um den Kinderfilm im Kino zu stärken, muss dieser wichtige Teilmarkt gezielt analysiert werden, aber auch solchen Fragen nachgegangen werden, nach welchen Kriterien Filme von Kindern und Familien ausgewählt werden und wer tatsächlich die Entscheidungsträger sind. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen müssen neue Marketing-Konzepte entwickelt, Sendeplätze zur Bewerbung von anspruchsvollen Kinderfilmen im Fernsehen bereitgestellt und gesonderte Modelle zur finanziellen Unterstützung beim Herausbringen von Kinderproduktionen gefunden werden.
Des Weiteren sprach sich Eva Matlok für einen konzeptionellen Neuansatz zur Umsetzung der bundesweiten Initiative „Lernort Kino“ aus. Dazu hat die AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater eine Konzeption erarbeitet, in der es vor allem darum geht, eine bundesweite Medienkompetenz-Agentur zu errichten, die die vielen einzelnen Aktivitäten im Bereich der Medienkompetenz-Vermittlung miteinander vernetzt.
Eine dieser Initiativen stellte dann Horst Walther, der Leiter des Instituts für Kino und Filmkultur (IFK) vor. Das IFK wurde 2000 in Köln gegründet und versteht sich als Vermittler zwischen Kino und Publikum sowie zwischen der Filmbranche und dem Bildungsbereich. Unter der Maßgabe „Kino ist Lernort“ organisiert dieses Institut Schulfilmwochen, Kinoseminare sowie Weiterbildungen für Lehrer und gibt Filmhefte für Lehrer und Erzieher sowie Kinohefte für Kinder heraus. Wie notwendig diese Arbeit ist, zeigt eine Befragung, bei der sich herausstellte, dass der Kinobesuch mit der Schulklasse für viele der erste überhaupt war.
Aus der Schweiz stammt das medienpädagogische Angebot für Sechs- bis Zwölfjährige, der Filmklub „Zauberlaterne“. Dieses Projekt wird derzeit einzig und allein im Ludwigsburger Caligari-Kino durchgeführt. Der Projektleiter Markus Klare stellte es vor.
Für 30 Euro im Jahr werden die Kinder Klubmitglied und besuchen dafür neun Vorstellungen im Jahr. Sie erhalten einen Klubausweis und regelmäßig eine Klubzeitung mit Informationen zum nächsten Film und zu Filmgeschichte oder -techniken. Vor den Vorstellungen werden die Kinder mit einem kurzen Theaterstück auf den Film eingestimmt.
Das Programm ist in Blöcke aufgeteilt. Jeweils drei Filme sind einer „Emotion“ zugeordnet, wie z.B. Filme zum Lachen, zum Träumen oder zum Fürchten. In jedem Block ist eine Produktion aus der frühen Filmgeschichte, aus den 50er bis 80er Jahren und eine relativ aktuelle Produktion vertreten. In Ludwigsburg hat sich dieses recht arbeitsintensive Konzept bewährt – 95 Kinder sind mittlerweile Klubmitglieder. Um den Kinderfilm mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, gibt es seit 1999 Bemühungen, ein kostenpflichtiges, lizenziertes Qualitätslabel für Kinderfilme einzuführen. Günther Kinstler, Projektleiter dieser Initiative im Auftrag des Bundesverbandes Jugend und Film, erläuterte Ziele und Kriterien dieses Labels, das von einem Deutschen Kinderfilmrat vergeben werden soll. Im Moment wird an der Gründung dieses Kinderfilmrates gearbeitet, im Herbst 2004 kann mit der ersten Präsentation gerechnet werden. Dieses Label soll dann im Kino, im Fernsehen, in Videotheken, auf Industrieprodukten und in der Filmwirtschaft zu finden sein.
Nach der Mittagspause, in der bereits heiß gestritten wurde, begann die Podiumsdiskussion, moderiert von Klaus-Dieter Felsmann. Neben den vier Referenten waren auch Ingrid Arnold von der Bundeszentrale für politische Bildung, Christian Meinke vom MFA und die Kinobetreiberin Gabriele Rosslenbroich eingeladen. Aus dem Publikum kam gleich am Anfang die Hiobsbotschaft, dass in diesem Jahr besonders in den neuen Bundesländern ein Rückgang des Kinobesuchs zu verzeichnen sei. Auch im Beitrag der Pixel-Kinder war mehrmals zu hören, dass Kino zu teuer sei. Und doch zeigten sich die Podiumsteilnehmer optimistisch. Allerdings ist es nach wie vor wichtig, die Schule, die Lehrer und Erzieher in die Arbeit mit dem Film einzubinden. Dazu braucht es Mittler, wie z.B. Medienzentren, Initiativen wie „Lernort Kino“ oder aber auch Festivals wie das Internationale Kinderfilmfestival „Schlingel“ in Chemnitz. Strukturelle Veränderungen in der Schule, sei es die Verdichtung der Lehrpläne oder die Einführung von Ganztagsschulen, bringen neue Schwierigkeiten, aber auch neue Möglichkeiten mit sich. Und die gilt es zu nutzen.